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Wenn die Mietsache unrenoviert übergeben wurde, können Mieter vom Vermieter im laufenden Mietverhältnis Kosten für Schönheitsreparaturen ersetzt verlangen. Die Mieter müssen sich aber an den Kosten beteiligen.

Der Bundesgerichtshof hat in seinem Urteil vom 08.07.2020 – VIII ZR 163/18 entschieden, dass die Kosten der Schönheitsreparaturen im laufenden Mietverhältnisses zwischen Mieter und Vermieter aufzuteilen sind, wenn der Mieter eine unrenoviert übergebene Wohnung erhielt und sich der Zustand seit der Übergabe verschlechtert hatte.

Zum konkreten Präzedenzfall

Die Mieter begehrten die Zahlung eines Vorschusses zur Durchführung von Schönheitsreparaturen.

Sie mieteten im Jahr 2002 von der Beklagten eine bei Überlassung unrenovierte Wohnung in Berlin. Der Mietvertrag enthielt unter anderem folgende Regelungen:

  • § 6 Instandhaltung, Schönheitsreparaturen 6.4 Der Mieter übernimmt die Schönheitsreparaturen.
  • 6.5 Zu den Schönheitsreparaturen gehören (…).
  • (…)
  • 7 Mietsache
  • 7.1 Der Vermieter gewährt den Gebrauch der Mietsache in dem Zustand der Übergabe.
  • 7.2 Der Mieter versichert, dass er den Mietgegenstand ausreichend besichtigt hat. Er übernimmt den Mietgegenstand – wie er steht und liegt – im besichtigten Zustand und erkennt den Mietgegenstand als vertragsgemäß an.

Aufgrund einer zwischenzeitlich eingetretenen Verschlechterung der Wohnungsdekoration im Vergleich zum Überlassungszustand, forderten die Kläger die Beklagte unter Übersendung eines Kostenvoranschlags erfolglos auf, darin im Einzelnen bezeichnete Renovierungsmaßnahmen (Tapezieren, Anstrich-Arbeiten) ausführen zu lassen.

Das Amtsgericht hat die Klage weitestgehend abgewiesen. Die hiergegen eingelegte Berufung hat das Landgericht zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgen die Kläger ihr Klagebegehren, soweit es erfolglos geblieben ist, weiter. Die Revision hatte Erfolg.

Zur Begründung führte der Bundesgerichtshof aus:

Ein Anspruch scheide nicht deshalb (von vornherein) aus, weil die Kläger die unrenovierte Wohnung als vertragsgemäß akzeptiert hatten. Vielmehr begründet die vom Berufungsgericht ausdrücklich festgestellte weitere Verschlechterung des Dekorationszustands der Wohnung im Vergleich zum vertragsgemäßen Zustand bei Überlassung einen Mangel, dessen Beseitigung die Kläger nach § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB verlangen können. Mit dieser Mangelbeseitigung befindet sich die Beklagte in Verzug, so dass den Klägern dem Grunde nach ein Vorschussanspruch in Höhe der erforderlichen Mängelbeseitigungskosten zusteht.

Dieser ist – entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts – nicht deshalb ausgeschlossen, weil die Kläger nach bestimmungsgemäßer Verwendung des Vorschussbetrags im Ergebnis eine frisch renovierte und damit eine Wohnung erhalten, welche sich in einem besseren als dem vertragsgemäßen Dekorationszustand befindet.

Der hierdurch bewirkten “Besserstellung” der Kläger ist vielmehr im hier betroffenen Bereich der Schönheitsreparaturen, deren Durchführung die Mieter verlangen und bei denen es nicht um funktionale Mängel geht, nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) dadurch Rechnung zu tragen, dass sie sich in angemessenem Umfang an den (erforderlichen) Kosten der Renovierung zu beteiligen haben.

Der Mieter kann den Mangel im Falle des Verzuges selbst beseitigen und Ersatz der erforderlichen Aufwendungen als Vorschuss verlangen. Ein Mangel liegt hier vor, da der tatsächliche Zustand vom vertraglich vereinbarten Zustand (dem Zustand bei Übergabe abweicht).

Einem solchen Vorschussanspruch der Kläger steht die Übertragung der Schönheitsreparaturen nach Ziffer 6.4 des Mietvertrags auf die Kläger nicht entgegen. Da die Wohnung den Klägern unrenoviert überlassen und ihnen ein angemessener Ausgleich nicht gewährt wurde, verstößt diese Regelung gegen den Grundsatz von Treu und Glauben und benachteiligt die Mieter unangemessen. (Inhaltskontrolle am Maßstab des § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB)  

An die Stelle dieser unwirksamen Klausel tritt gemäß § 306 Abs. 2 BGB die dispositive gesetzliche Bestimmung des § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB, so dass die Beklagte als Vermieterin die Instandhaltungslast – zu der auch die Ausführung von Schönheitsreparaturen gehört – in vollem Umfang zu tragen hat (vgl. Senatsurteile vom 9. Juli 2008 – VIII ZR 181/07, BGHZ 177, 186 Rn. 20; vom 18. März 2015 – VIII ZR 185/14, aaO Rn. 40).

Es kann nicht angenommen werden, dass redliche, um einen angemessenen Interessenausgleich bemühte Mietvertragsparteien nach Treu und Glauben eine insoweit einseitig den Vermieter begünstigende Regelung getroffen hätten, nach der sich der Mieter seines gesetzlichen Anspruchs auf Erhaltung der Mietsache (§ 535 Abs. 1 Satz 2 BGB) in Form der Ausführung von Schönheitsreparaturen begeben würde und demgemäß von ihm gewünschte Schönheitsreparaturen auf eigene Kosten durchzuführen hätte.

Der unrenovierte Zustand der Wohnung bei Überlassung stellt den vertragsgemäßen und damit seitens der Beklagten im Sinne des § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB zu erhaltende “Soll-Zustand” dar. Dabei kann dahinstehen, ob die im Formularmietvertrag enthaltenen Regelungen, wonach die Kläger den Mietgegenstand so übernehmen “wie er steht und liegt” und ihn “als vertragsgemäß” anerkennen, wirksam sind.

Denn ungeachtet dessen war der Dekorationszustand der Wohnung für beide Parteien ohne Weiteres ersichtlich. Die Wohnung wurde vor Anmietung besichtigt und der Zustand in einem Übergabeprotokoll näher festgehalten. Die ursprünglich im Mietvertrag enthaltene Formulierung, wonach das Mietverhältnis erst nach Renovierung durch den Vormieter beginnen sollte, wurde einvernehmlich gestrichen und durch ein konkretes Datum des Mietvertragsbeginns ersetzt. Danach war für die Kläger eindeutig ersichtlich, dass sie eine unrenovierte Wohnung übernehmen; sie haben die Mietsache somit in dem Zustand akzeptiert, in dem sie sich befand (vgl. hierzu BGH, Urteile vom 20. Januar 1993 – VIII ZR 22/92, NJW-RR 1993, 522 unter II 2 b; vom 18. April 2007 – XII ZR 139/05, NJW-RR 2007, 1021 Rn. 28; Hartmann, WuM 2015, 406, 408; Lehmann-Richter, WuM 2016, 529, 534).

Der Mieter kann nach § 536a Abs. 2 BGB als Vorschuss nur den Betrag verlangen, der zur Mangelbeseitigung erforderlich ist. Es muss sich somit um Aufwendungen handeln, die er bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt für angemessen halten darf. Darunter fallen solche Kosten, die nach vernünftiger wirtschaftlicher Betrachtungsweise nötig und zweckmäßig sind (vgl. Senatsurteil vom 21. April 2010 – VIII ZR 131/09, NJW 2010, 2050 Rn. 18).

Führt die Vornahme der Schönheitsreparaturen jedoch zu einem besseren Dekorationszustand der Wohnung als dem vertraglich geschuldeten, hat sich der Mieter regelmäßig an den Kosten der Renovierung in angemessenem Umfang zu beteiligen.

Da die (Wieder-)Herstellung des ursprünglichen Dekorationszustands der Wohnung in der Regel nicht praktikabel, zumindest aber wirtschaftlich nicht sinnvoll ist und deshalb nicht im Interesse vernünftiger Mietvertragsparteien liegt, ist in diesen Fällen allein eine Durchführung von Schönheitsreparaturen sach- und interessengerecht, durch welche der Vermieter die Wohnung in einen frisch renovierten Zustand versetzt.

Durch die nach Vorstehendem allein sachgerechte umfassende Renovierung werden allerdings nicht nur die vom derzeitigen Mieter bewirkten – von ihm grundsätzlich nicht zu vertretenden (§ 538 BGB) – Gebrauchsspuren beseitigt, sondern auch diejenigen aus dem Zeitraum vor dem gegenwärtigen Mietverhältnis. Der Mieter erhält damit eine Wohnung, die einen Dekorationszustand aufweist, der über den vertraglich seitens des Vermieters geschuldeten Zustand hinausgeht.

Nach dem Gebot von Treu und Glauben (§ 242 BGB) ist dieser Besserstellung durch eine angemessene finanzielle Beteiligung des Mieters an den Renovierungskosten Rechnung zu tragen.

Die Bestimmung des Umfangs der Kostenbeteiligung im Einzelfall ist Sache des Tatrichters, der insoweit von der ihm nach § 287 Abs. 2 ZPO eingeräumten Möglichkeit Gebrauch machen kann (vgl. zur Bemessung des Aufwands bei eigener Renovierungstätigkeit Senatsurteil vom 27. Mai 2009 – VIII ZR 302/07, BGHZ 181, 188 Rn. 24 f. [zum Bereicherungsanspruch des Mieters, der ihn nicht treffende Schönheitsreparaturen ausführt]). Unter angemessener Berücksichtigung der wechselseitigen Interessenlage von Vermieter und Mieter wird, soweit nicht im Einzelfall Besonderheiten vorliegen, in der Regel eine hälftige Kostenbeteiligung sachgerecht sein.